WEMI 2025-01-15

WEMI 2025-01-15#

Es gibt verschiedene geistige Vorstellungen (en: mental images, MI) davon, was im Kontext der FRBR-Familie die Begriffe Werk, Expression, Manifestation und Item (short: WEMI) bedeuten. Wir können diese geistigen Vorstellungen selbst als ein Werk betrachten. Um geistige Vorstellungen mitzuteilen, müssen wir sie zum Ausdruck bringen. Eine Melodie können wir singen, ein Drama können wir pantomimisch aufführen, eine komplexe Idee können wir aufschreiben. Es entsteht eine Expression.

Keine Expression drückt eine geistige Vorstellung vollständig aus. Auch ähnliche Expressionen können ziemlich unähnliche geistige Ideen zum Ausdruck bringen; aber worin die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit von geistigen Vorstellungen besteht, ist unklar.

Eine geistige Idee lässt sich in vielerlei Weise ausdrücken, beschreiben, benennen. Der Alltagsmensch drückt eine geistige Vorstellung in menschlicher Sprache aus. Er spricht, schreibt ein Gedicht oder einen Aufsatz, verschickt Kurznachrichten. Der Komponist schreibt eine Partitur. Der Formalwissenschaftler erstellt ein Diagramm, ein Computerprogramm, mathematische Formeln. In FRBR besteht ein gewisser Konsens, dass eine Übersetzung in eine andere Sprache eine andere Expression erzeugt: Expressionen lassen sich durch ihre Sprache unterscheiden, die Sprache ist ein charakteristisches Merkmal einer Expression.

Auch ER-Diagramme, UML oder OWL sind Sprachen. Nicht in jeder Sprache kann alles ausgedrückt werden; bisweilen ist es hilfreich, eine geistige Vorstellung in verschiedenen Sprachen auszudrücken. Die verschiedenen Ausdrucksformen werden sich teilweise ergänzen, teilweise widersprechen. Wir können eine Expression als ein durch Zeichen vermitteltes (Teil-) Modell einer geistigen Vorstellung interpretieren. (Hier naiver Modellbegriff, nicht Modell im Sinne der logischen Modelltheorie.) Der Mensch muss die Sprache des Modells verstehen, um seine geistige Vorstellungen weiter entwickeln zu können.

Um ein sprachlich ausgedrücktes Modell zu unterschiedlicher Zeit schreiben und lesen zu können, oder über Distanz versen zu können, benötigen wir Medien, einen Datenträger. Die Sumerer (???) drückten Keile in Tontafeln, Gutenberg erfand eine Buchherstellungsmaschine, XXX gelang es, Schallwellen aufzuzeichnen. Früher wie heute verwenden wir Technik, um Modelle aufschreiben und lesen, verbreiten, “verarbeiten” zu können. Datenträger und Herstellungs-, Zugriffs-, Verarbeitungstechnik gehören eng zusammen. FRBR stellt für die Beschreibung mehrere Konzepte bereit: Manifestation, Hersteller/Verlag.

Es ist Feierabend, wir wollen unsere Zeitschrift lesen, aber wo liegt sie? Aha, unser Partner liest sie gerade, wir haben derzeit keinen Zugriff darauf. Macht nichts, unser Abonement beinhaltet auch die digitale Ausgabe, wir “öffnen” die Zeitschrift eben auf unserem Tablet. Die gemeinsamen (und relevanten) Eigenschaften aller Exemplare unserer Zeitschriftenausgabe werden durch die Manifestation beschrieben. Wichtige charakteristische Merkmale der einzelnen Exemplare sind Ort und Zugriffsrechte.

Die FRBR-Studie aus 1995 kommt zu dem Schluss, dass ein Dokument in einer Bibliothek idealerweise durch einen zusammengesetzten Datensatz beschrieben werden sollte, der mindestens je einen Record für Werk, Expression, Manifestation und Item enthält. Weil ein ER-Modell für die Modellierung verwendet wurde, wurden diese Records als “Entities” modelliert, die durch attribut-Wert-Paare näher beschrieben und durch “Relationships” miteinander in Beziehung gesetzt werden. Im Kontext der damals üblichen Datenbank-Terminologie entstand so ein sog. “logisches Datenmodell. Eins solches lässt sich vergleichsweise geradlinig als ein Datenbankschema implementieren. Wenn man keine Anstrengungen unternimmt, Dinge besonders komplex zu machen, erhält man automatisch eine Datenk-Normalform Drei (NF3) und somit ein für viele Zwecke ausreichend “gutes” Modell – so auch in FRBR.

In der Literatur werden verschiedene ontologische Kategorien für die einzelnen WEMI-Klassen diskutiert ZITAT. Wir betrachten WEMI als Aspekte eines Dokuments. Ähnlich, wie sich in der Newtonschen Physik ein Gegenstand durch Aspekte wie Masse, Volumen, Ort, Zeit (“MVOZ”) beschreiben lässt, lässt sich jedes Dokumen durch die 4 WEMI-Aspekte beschreiben. Ebenso wie MVOZ kategorial unterschiedliche Dinge sind, sind auch WEMI kategorial unterschiedliche Dinge. Ein physikalischer Gegenstand lässt sich durch MVOZ beschreiben, “ist” aber nicht eine Instanz einer der Klassen MVOZ. Ebenso lässt sich ein Dokumen durch WEMI beschreiben, “ist” aber keine Instanz der Klassen WEMI. Ergänzend zu den WEMI-Klassen benötigen wir in der Praxis weitere Klassen wie insbesondere: Akteur (mit der Subklasse Person, Institution etc.); “Schlagwort” oder “Konzept”, für das sich in der Praxis weitestgehend skos:Concept durchgesetzt hat; sowie so etwas Hersteller, konventionell Verlag, im digitalen Umfeld auch Website zum Download oder SPARQL-Endpoint (in DCAT: dcat:DataService).

Vorteil des Modells gegenüber DC … allgemein: Vermeidung von typischen Problemen nicht normalisierter Datenbanken … spezifisch: Relationen wie insbesondere partOf lassen sich nun differenziert für Instanzen jedes einzelnen Entity-Typs (owl:Class) anlegen. So kann man z.B. ausdrücken, dass die derzeit sich in Überarbeitung bestehende Norm DCAT-AP Version 2 (https://www.w3.org/TR/vocab-dcat-2/) aus verschiedenen zusammenhängenden Teilwerken besteht, von denen jedes in einer anderen Expression ausgedrückt wird: (1) natürlichsprachliche allgemeine Erläuterungen und Kontextualisierung in DE oder EN; (2) natürlichsprachliche Beschreibungen der einzelnen Klassen in DE oder EN; (3) ein UML-Klassendiagramm, (4) eine OWL-Ontologie. Natürliche Sprache, OWL, UML sind gemäß unserer Terminologie verschiedene Sprachen, in denen jeweils unterschiedliche Expressionen formuliert werden, die jeweils unterschiedliche Teilwerke detaillierter ausdrücken und damit mittelbar zum Gesamtwerk WEMI beitragen. Weiterhin kann man ausdrücken, dass zum Beispiel das Gesamtdokument als pdf oder html oder die Ontologie im Format Turtle zur Verfügung stehen (Manifestation), und auf ein Exemplar der Turtle-Datei z.B. unter der Adresse https://www.w3.org/ns/dcat.ttl zugegriffen werden kann.