Vergleichbar mit der Vielfalt an Definitionen und Interpretationen zum Begriff der Medienkompetenz ist auch die Zielsetzung des Erwerbs von Beratungskompetenz (vgl. Ertelt/Schulz 2002) nicht ohne eine kontextbezogene Definition des Beratungsbegriffs und damit auch des angestrebten Einsatzgebiets verständlich.

Die Heterogenität von Beratungsformen in verschiedenen (Weiter-)Bildungs-bereichen (vgl. Schiersmann/Remmele 2004) macht eine exakte Abgrenzung der im Projekt “Studbene“ fokussierten Beratungskompetenz zwingend notwendig.

Die explizite Zielsetzung des Projekts wird bereits bei genauer Betrachtung des Titels “Lernberater/innen für Neue Medien“ deutlich. Die Beratungskompetenz soll demnach zur Tätigkeit als Lernberater/in befähigen (vgl. Kemper/Klein 1998), sich aber gleichzeitig thematisch auf medienbasierte Lernformen beschränken. Dabei wird unter Lernberatung zumeist eine personenbezogene Form von Beratung verstanden, die sich auf eine teilnehmerorientierte Beratung der Lernenden unmittelbar vor sowie während des konkreten Lernprozesses bezieht (vgl. Schiersmann/Remmele 2004, S.11f.). Lernberatung als “pädagogische Aufgabe“ bzw. “pädagogisches Handeln“ betrachtet die Beratenden „nicht nur als Lernende, sondern als ganze Menschen, deren Probleme nicht auf das Lernen verengt werden sollten“ (Harke 2001, S. 71).

Übertragen auf das spezielle Gebiet der Lernberatung im Kontext mit Neue Medien folgt daraus, dass die pädagogische Aufgabe im Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen und Zielen einer Person, die beraten wird und ihren Fähigkeiten und Kenntnissen in Bezug auf ein mediales Lernthema bzw. eine mediale Lernform steht. Beide Bereiche müssen beachtet und in die Beratung integriert werden. Letztlich wird somit im Projekt “Studbene“ eine Verbindung von Medien- und (Lern-)Beratungs-kompetenz angestrebt.

Zentrale Elemente bei der Ausbildung der Studierenden im Projekt “Studbene“ bildete zum einen der „personenzentrierte Ansatz“ nach Carl Rogers sowie die „lösungsorientierte Beratung“ (vgl. Wolters 2000, Bamberger 2001, Ertelt/Schulz 2002). Obwohl die beiden Beratungsansätze inhaltlich wenig Berührungspunkte aufweisen, verbinden sie sich für den praxisorientierten Einsatz im Kontext einer Lernberatung in Zusammenhang mit Neuen Medien in idealer Weise.

Die Integration verschiedener Beratungsansätze grenzt sich dabei deutlich von psycho-therapeutischen oder pädagogisch-präventiven Beratungsszenarien ab, sondern basiert auf einer eindeutig themenbezogenen Ressourcen- und Kontextorientierung, wie sie insbesondere für die Unterstützung von Lernprozessen in den Hochschulen gefordert wird (vgl. Chur 1997, Nestmann 2001). „Lernberatung ist bei diesem Lernkonzept notwendigerweise in die gesamte Lernorganisation eingebunden und hat einen entsprechend hohen Stellenwert. Das erfordert auch spezielle Kompetenzen des Personals, die in der Regelausbildung meist nicht vermittelt werden, sondern durch Fortbildung entwickelt werden müssen.“ (Harke 2001, S.80)

Der personenzentrierte Ansatz stellt in einem technischen Themenkomplex den Faktor „Mensch“ und dessen individuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Eine Lernberatung findet nur dann statt, wenn die zu beratenden Personen im Zentrum des Beratungsprozesses stehen. Der Ansatz der „lösungsorientierte Kurzberatung“ (vgl. Wolters 2000) wiederum baut auf dieser Beschäftigung mit der Person der/s Ratsuchenden auf, fokussiert jedoch primär das thematische Problem bzw. die möglichen Lösungsoptionen. Durch die Verbindung dieser unterschiedlichen Sichtweisen ist eine individuelle, ressourcenorientierte Beratung möglich, die keinen defizitären Ansatz verfolgt, sondern die handlungsorientierte Lösung im Rahmen der individuellen Möglichkeiten anstrebt. „Dabei wird kein umfangreiches Konzept entwickelt, das die Ursachen bekämpfen muss - stattdessen wird eine einfache, die Ressourcen der Klienten entsprechende (Teil-)Lösung angestrebt.“ (ebd., S. 167)

Wie bereits erläutert, wird der Kompetenzbegriff häufig mit dem Erwerb von Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz in einem bestimmten Themenbereich gleichgesetzt. Dabei wird schnell deutlich, dass dieser hohe Anspruch eigentlich einen lebenslangen Prozess darstellt, der nicht innerhalb einer einzigen Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme erreicht werden kann. Zu sehr ist ein umfassender Kompetenzentwicklungsprozess mit dem Veränderungsprozess des Wissens in dem jeweiligen Themenbereich, den unterschiedlichen Handlungsanforderungen in verschiedenen praktischen Einsatzgebieten und schließlich mit der Persönlichkeits-struktur des Lernenden verbunden. Alle genannten Einflussfaktoren sind wiederum dynamische und veränderliche Komponenten. Die Zielsetzung eine kompetenz-fördernde Bildung zu realisieren, erscheint daher schnell als aussichtsloses Unterfangen.

Um Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz im Projekt “Studbene“ zu realisieren, wurde die bereits angesprochene Kombination von Medien- und Beratungs-kompetenz angestrebt. Zwar sollten jeweils alle drei Komponenten in jedem Kompetenzbereich beinhaltet sein, durch die kombinierte Vermittlung der beiden Bereiche bereichern und ergänzen sie sich jedoch in bemerkenswerter Weise. Medienkompetenz impliziert als fachlichen Kenntnisse, den Erweb von technischem Handhabungswissen, wie z.B. Programmierkenntnisse zur Erstellung von Webseiten sowie Know-how darüber, wie die erstellten Webseiten im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden können, usw. Entsprechend der Definition von Medienkompetenz im Projekt “Studbene“ beinhaltet sie jedoch auch medien-didaktisches bzw. methodisches Wissen, wie z.B. Webseiten optimal für pädagogische Zwecke gestaltet sein müssen und wie ein förderliches didaktisches Design für einen Lernprozess unter Einbezug von Hypertexten gestaltet werden muss, usw. Überdies sind auch soziale Kompetenzen enthalten, etwa für die Umsetzung einer tutoriellen Betreuung von Lernenden in Online-Seminaren und ver-gleichbare Anwendungsfelder, indem aufgrund einer „mediendidaktische Sozial-kompetenz“ der Nutzen einer tutoriellen Betreuung für die Lernenden bewusst ist.

Im Zusammenhang mit Beratungskompetenz bedeuten Fachkenntnisse z.B. den prozessorientierten Ablauf einer Beratung und verschiedene Phasenmodelle zu kennen. Methodenkompetenz bedeutet dagegen z.B. ein Beratungsgespräch führen zu können und passende Fragetechniken einsetzen zu können. Sozialkompetenz kann z.B. bedeuten, dass Schilderungen der/s Ratsucheden mit ihrer/seiner Persönlichkeitsstruktur verglichen werden und somit einen empathisch-verständnisvollen Zugang zur Denkstruktur des Gegenübers erreicht wird.

Bei Medien- wie auch bei Beratungskompetenz sind gewisse inhaltliche „Schwerpunkte“ erkennbar. Während unter Medienkompetenz in der Regel die Ausprägung von Fach- und Methodenkenntnisse im Vordergrund stehen, sind bei der Beratungskompetenz die Methoden- und Sozialkompetenzen von Bedeutung. In der Verknüpfung beider Zielsetzungen in der didaktisch-methodischen Gestaltung der Ausbildung waren Synergieeffekte zu beobachten: Die medien-technischen Inhalte bildeten ein einheitliches, praxisorientiertes Thema für die Übung zum Erwerb von Beratungskompetenz. Für den Erwerb von Medienkompetenz wiederum bildeten die pädagogisch-beratende Tätigkeit eine klare Zielsetzung der erlernten Inhalte. Das resultierende Kompetenzprofil soll durch folgende Grafik verdeutlicht werden: