Knowledge Engineering und Didaktik

Knowledge Engineering und Didaktik

Knowledge Engineering und Wissenskommunikation (Lehren und Lernen) waren bisher in verschiedenen Fakultäten angesiedelt: Informatiker standen Pädagogen oder Psychologen eher gegenüber als zur Seite. Dies ist eine künstliche Trennung. Knowlegde Engineering ist eine interdisziplinäre Disziplin.

In der Praxis wird es ein Informatiker ohne pädagogische und lernpsychologische Kompetenz kaum schaffen, komplexere Wissensbasierte Systeme in einer betrieblichen Praxis nachhaltig zu verankern.

Umgekehrt wird ein Sozialwissenschaftler ohne fundierte Kompetenzen in Wissensmodellierung und Informatik Wissensbestände kaum für komplexere wissensbasierte Systeme zugänglich machen können.

Didaktik: Schlüsselkompetenz für Knowledge Engineers

Knowledge engineering (KE) verändert die Art und Weise, wie Menschen mit Wissen umgehen und Wissen in der Praxis anwenden. Deshalb bleiben KE-Projekte unvollständig, wenn man nicht gleichzeitig gestaltet, wie Wissen von Menschen aufgeschrieben, weitergegeben und angeeignet wird.

KE

Knowledge Engineering ist die methodische Vorgehensweise, Wissen formal zu modellieren, in wissensbasierten Systeme (WBS) abzulegen und anderen Nutzern zugänglich zu machen.

Da WBS Systeme sind, mit deren Hilfe ein Mensch nicht nur nach Information (oder Wissen) anfragt, sondern eigenes und fremdes Wissen auch neu arrangiert und bewertet, verändern KE und WBS die Lernprozesse des Menschen.

Didaktik

Didaktik in weiterem Sinn ist die Kunst, Lernen zu unterstützen.

Didaktik aus Sicht eines Wissensingeniers ist die Kunst, Lehrende und Lernende in der Generierung und dem Austausch von Wissen zu unterstützen.

Die hohe praktische Bedeutung von Wissensmodellen für Wissensarbeiter erfordert beim Wissensingenieur eine besonderes didaktisches Geschick.

Ein Wissensmodell, dessen blinde Flecke, Entstehungs- und Verwendungsbedingungen man nicht genau kennt, wird in der Praxis keine Anerkennung und damit auch keine nachhaltige Unterstützung finden.

Auch wenn KE auf formale - weil erst dann durch WBS verarbeitbare - Modelle abzielt, liegt ein Schwerpunkt auch auf dem Methodenspektrum der Wissens-Schöpfung und -Kommunikation.

Knowledge Engineering ist ein interdisziplinäres Fach mit deutlichen didaktischen Aspekten.

Semantische Modelle

Semantische Netze waren schon in der "good oldfashioned Artificial Intelligence" (GOFAI) eine der wichtigsten kognitiven Wissensrepräsentationen. Heute gilt das um so mehr. Das Internet lässt sich (mit Techniken wie z.B. RDFa) als eine riesige Cloud of Linked Open Data aufbauen - das Semantic Web entsteht.

In den 1980ger Jahren wurde unter dem Schlagwort knowledge engineering Wissen mit dem Ziel modelliert, mit leistungsfähigen Computern menschliche Intelligenz zu simulieren. Heute spricht man liebevoll von der GOFAI , der Good Old-Fashioned Artificial Intelligence.

Heute, 2011, sieht die Welt anders aus. Wissen wird modelliert, um es über das Internet anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Lernen heißt nicht mehr "memorieren", speichern, auswendig dahersagen können. Wer heute lernt, arbeitet aus meist online verfügbaren Wissensbeständen das für ihn relevante Wissen heraus macht es für sein Praxisproblem fruchtbar.

Knowledge Engineering heute

  • macht Wissen insbesondere im Semantic Web für Menschen verständlich
  • schafft technische Systeme, mit denen man im Semantic Web Wissen bereit stellen, verarbeiten, und die Aneignung von Wissen unterstützen kann
  • entwickelt eine Methodologie für dieses interdisziplinäre Praxisfeld

Knowledge Engineerng, Qualitätsmanagement und Lerndienstleistungen

Die Qualität von Bildungsmaßnahmen wird im kommerziellen Weiterbildungsbereich definiert durch die Norm DIN ISO 29990: "Lerndienstleistungen in der Aus- und Weiterbildung – grundlegende Anforderungen an Dienstleister".

Gerade weil diese Norm über das Hochschulwesen z.T. hinausgeht (!) eignet sie sich hervorragend als Steinbruch zur Qualitätssicherung auch der Institutionalisierung einer MINT-Propädeutik. Die Norm liefert erstens die einschlägigen Begriffe und Strukturen etwa zur Definition von Lehrveranstaltungen; es gibt auch in der Formulierung von BA-Curricula keinen Grund, hiervon abzuweichen.

Die Norm gibt darüber hinausgehend auch Anhaltspunkte zur Definition von Erfolgs- und Evaluationskriterien eines Bildungsprogramms gegenüber beteiligten Dritten, insbesondere gegenüber den finanziellen Sponsoren der Teilnehmer eines Bildungsprogramms. Es ist zu erwarten, dass die hochschulpolitischen Aushandlungen im Rahmen der fortschreitenden Institutionalisierung eines MINT-Propädeutikums von den in der Norm beschriebenen Prozesse durchweg profitieren - denn genau dies sind die kritischen Prozesse in der informellen Bildung.

Aus Sicht des Knowledge Engineerings ist die Norm aus einem weiteren Aspekt relevant: Die DIN ISO 29990 beschreibt die Dokumente und Metadaten, die im Rahmen von Lerndienstleistungen - insbesondere also auch der kooperativen Konstruktion und Kommunikation von Wissen - erzeugt, kommuniziert und bewertet werden. Solche Dokumente sind in besonderer Weise Wissensrepräsentationen, also Ergebnise von Wissensprozessen.

Wie viele andere Wissenschaften auch weist Knowledge Engineering selbstreferentielle Aspekte auf: In diesem Fall heißt der Fixpunkt "Lerndienstleistung". Die Institutionalisierung einer MINT-Propädeutik ist aus Sicht der Qualitätsmanagement-Norm DIN ISO 29990 eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie kann insbesondere auch mit Ansätzen des Knowlegde-Engineering unterstützt werden.

Fächer des Knowledge Engineerings

Informatikfächer:

  • Logik: Aussagen- und Prädikatenlogik; nichtklassische Logiken
  • Sprachen, Algorithmen und Datenstrukturen der GOFAI
  • relationale Datenbanken, SQL
  • nichtrelationale Datenbanken: deduktive relationale Datenbanken (Datalog), XML, RDF, zugehörige Sprachen: xpath, xquery, sparql
  • Methoden: CommonKADS, OntoKnowledge u.A
  • Semantic Web: RDF, OWL, F-Logic

Sozialwissenschaftliche Fächer:

  • Wissensschöpfungs-Methoden, Arbeiten mit Experten
  • Lehr- und Lernarrangements, material based learning, learning management systems
  • betriebliches Wissens- und Innovationsmanagement
  • Qualitätsmanagement: Anforderungen von ISO 9001, ISO 29990 etc. an betriebliche Informationssysteme
  • interdisziplinäre Kommunikation

Den Studienanteil von Informatik- und Didaktik Fächern setzen wir etwa im Verhältnis 1:1 an.

Interdisziplinäre Anknüpfungspunkte

Knowledge Engineering ist eigentlich eine genuin interdisziplinäre Angelegenheit. Im Schwerpunkt WBS wagen wir den Blick über den Tellerrand, indem wir untersuchen, wie Mensch, Technik und Organisation zu gelingenden sozio-technischen Wissenbasierten Systemen zusammenwachsen können.

Die Erfahrung zeigt, dass es letztlich doch Informatiker sind, die Gestaltungsmacht in der Hand haben und auch ausüben. Und doch führt technische Gestaltungskompetenz alleine nur selten zu "praktischer", d.h. in einem sozio-technischen System gut eingebetteter Software.

Insbesondere an Anwendungen wie Web 2.0, Semantic Web, personal information management (PIM) oder corporate knowledge management lässt sich das Dreieck Mensch -- Maschine -- Organisation praxisrelevant und anschaulich explorieren.

knowledge elicitation methods

knowledge aquisition (KA) methods

Lehren und Lernen im Bereich Knowledge Engineering

Curricula sind traditionell in Begriffen "Vorlesung", "Seminar" etc. organisiert. Auch wenn die Hochschuldidaktik eine Vielfalt von weiteren Veranstaltungs- und Lernformen kennt, sind es doch diese Begriffe, die in der Formulierung von amtlich akkreditierten Curricula zur Verwendung kommen.

Ergänzend zu diesen traditionellen Formen von Lehren und Lernen kommen weitere Lernangebote hinzu.

Vorlesung

Ursprünglich hatten Vorlesungen einen Mangel an Medien zu kompensieren. In einer Mediengesellschaft haben sie die Aufgabe, einen Weg durch ein Zuviel an Informationen aufzuzeigen und so den Aufbau von Wissen zu unterstützen.

Vorlesung heute - insbesondere in einem Fach, das sich im Kern mit Wissen befasst - bedeutet zusammenstellen, kommentieren und bewerten von Wissensbausteinen.

Wir bemühen uns, Vorlesungen im Studium hauptsächlich auf Standard-Lehrwerken aufzubauen. Damit wird eine sachsystematische, je nach persönlichem Lernstil der Studierenden auch gerne eigenverantwortliche Wissensaneignung unterstützt.

Übung

Auch wenn Vorlesungen und Medien Inhalte präsentieren mögen -- aneignen müssen sich die Studierenden die Inhalte selbst. Mehr als durch Zuhören lernt man durch Selbermachen, und noch mehr durch Erklären -- etwa als Tutor. Üben heute bedeutet daher probieren, nachlesen, nachfragen, tun -- kurz: Üben!

Wir werden Vorlesungen und Übungen zeitlich und organisatorisch eng miteinander verbinden. Reines Präsentieren ("Lernen durch Zuhören") wird dabei möglichst knapp gehalten.

Seminar

Ursprünglich waren Seminare Orte des Diskurses über Theorie. In einer anwendungsorientierten Hochschule begreifen wir sie als Orte, an denen Theorie praktisch werden darf. Eine intensive Form seminaristischer Arbeit sind 2- oder 3-tägige Workshops als Blockveranstaltungen.

In Seminaren bringen die Studierenden ausgewählte praktische Herausforderungen mit grundlegenden Theorieaspekten zusammen.

Grundsätzlich lassen sich auch Vorlesungen seminaristisch durchführen; in diesem Fall werden schlanke Inhaltsblöcke von allen Studierenden vorbereitet und in der Vl gemeinsam besprochen.

Tutorienprogramm

Eine Auswahl von Studierenden mit individuellen Vertiefungsinteressen werden im Rahmen von Seminaren und Übungen als Tutoren ausgebildet. Als Experten auf einem klar definierten Anwendungs- oder Theoriegebiet unterstützen sie Studierende besonders in ihren Übungen.

Neben einem individuellen Betreuungsangebot entwickeln Studierende im Bereich ihrer Expertise auch Medien zur Unterstützung von Lehren und Lernen, und wirken auch bei der Ausbildung neuer Tutoren mit.

Mittelfristig entsteht eine Sammlung von Texten zum Thema "Lernen Lernen", wie z.B. http://web.jbusse.de/text/Leittextmethode.html

Bereitstellung semiformal codierten Wissens für die Lehre

Es ist angestrebt, die wichtigsten Begriffe und Sachdarstellungen als formale Ontologie zu codieren und über selbst entwickelte cross media publishing Verfahren als Website für die Lehre zur Verfügung zu stellen.

Das Fach Wissensverarbeitung wird hier in höchstem Maße selbstbezüglich.

Praxis-Beiträge zu Industrieprojekten

In verschiedenen Forschungs- und Industrieprojekten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Wissensinhalte für die Lehre mit Semantik so anzureichern, dass eine widerspruchsfreie Terminologie erreicht wird. Wissenskommunikation wird hier zur Kommunikation der Struktur, alltagsweltlichen Bedeutung bis hin zur Pragmatik von Begriffssystemen.

Es gehört hierbei zum Konzept, auch Studierende informationsorientierter Studiengänge bei der Produktion oder Evaluation eines entsprechenden Textkorpus' mit einzubeziehen.