flipped classroom DIZ 2019-06-25

Dieser Text: individuelle Vorbereitung zur Veranstaltung "Flipped Classroom", DIZ 2019-06-25, zur leichteren Diskussion mit Kollegen und Studierenden hier öffentlich unter "Traktate".

Didaktisches Konzept

Selbst wahrgenommener Mangel in meinen Lehrveranstaltungen (Problem zu lösen):

  • große Veranstaltungen (ca 80 TN): Feedback zwischen Studierenden und mir (Zweiweg-Kommunikation) ist nur individuell möglich und daher zu selten.
  • Vorlesung / Lehrbuch: erzeugen (wenn überhaupt) Wissen; mir geht es aber um Fertigeiten und vielleicht sogar Kompetenzen, hier im Fach Programmieren

Idee: Lehrbuch bietet Übersichts- und Hintergrundwissen, Lektüre des Lehrbuchs (und meinetwegen auch Video gucken) "zuhause" ... Präsenz statt Vorlesung als betreute Gruppe von Kleingruppen gestalten ... Skalierung nahezu beliebig: bis zu 200 TN sitzen in Vierer-Gruppen im Audimax, basteln an ihren Übungsaufgaben ...

Übungsaufgaben sind digital gestellt: Es gilt, eine ganze Reihe von zunehmend komplexeren Mikro-Tasks zu programmieren; ähnlich Aufgabenrechnen in einer Mathematik-Gruppe.

Lehrmaterial dazu derzeit in Vorbereitung: Nicht ein Lehrbuch (denn da gibt es ganz hervorragende Bücher am Markt, z.B. auch vom MIT); nicht ein Foliensatz (denn ich halte keine Vorlesung); sondern eine Aufgabensammlung, zusammengefasst in einem *Taskbook* ... Techik: zip-Datei (oder github repository), eigener Laptop

Dozent plus optional Tutoren bieten Unterstützung an, falls es hängt - aber sonst halten sie sich zurück ... Teilnahme freiwilig, man kann das auch zuhause machen - aber man kommt in die Präsenz, weil man hier sozialen Anschluss, Betreuung und Sicherheit hat, und weil man es schätzt, dass man die Lernfunktion "Lernen rhythmisieren" an den Dozenten / die Institution delegieren kann

Konflikte

An unserer FH folgen wir der Heuristik ECTS = SWS +1. Im Ergebnis sind die Studierenden ca 30h pro Woche vor Ort. Wenn sie dann noch "zuhause" sind (aber da sind sie ja meistens gar nicht) und etwas tun sollen, gibt es zu viele konkurrierende Ansprüche aus Familie, Job und Freizeit. Im Ergebnis kommen Studierende kaum (oder gänzlich un-) vorbereitet in die Präsenz. Inzwischen verzichte ich fast komplett auf Homework. Was kann man hier "flippen"? Flip bedeutet bei uns die Leute nach Hause zu schicken, um im leeren Hörsaal dann - auszuschlafen ;-)

Ich selbst habe 18 SWS. Es gibt keine Entlastung für den Aufbau von E-Learning-Angeboten. Bei uns gibt es kein hochschuldidkatisches und kein Fortbildungs-Zentrum, keine Unterstützung durch das Rechenzentrum, keine wissenschaftlichen Mitarbeiter, keine längerfristig aufbaubaren HiWis. Auf Antrag bei der VP Lehre darf ich immerhin 20% einer Veranstaltung "blended" machen: Die Studierenden dürfen zuhause sein, aber ich muss (synchron oder asynchron) in diesem Umfang online zur Verfügung stehen. Das ist didaktisch weitgehend uninteressant und vieeel anstrengender als Präsenzlehre.

Warum besuche ich also eine Flipped-Classroom-Fortbildung? Weil ich sowie keine Vorlesung mache, sondern im Classroom in einem betreuten Lernarrangement das anregen und will, was gute Uni-Studierende von sich aus selbst zuhause tun: In kleinen Präsenz-Arbeitsgruppen sich zeitlich synchronisiert durch ein Stoffgebiet durcharbeiten. Also quasi ein "geflippter" flipped classroom: In einer FH das ermöglichen, was an an einer Uni bei guten Studierenden zuhause geschieht.

Weitere Aspekte

Das will ich auslagern:

  • Software installieren und lauffähig machen
  • Lehrbuch lesen, ggf. auch Video gucken, und das wichtigste im persönlichen (bei uns in der Informatik: elektronischen) Forschungsjournal aufschreiben

Das soll mehr und mehr in Präsenz geschehen:

  • Wunschziel:
    • interessierte Diskussion zu den Themen der Lektüre
    • neue Fragestellungen entwickeln
    • Kompetenzen der Teilnehmer zusammenführen
  • Minimalziel:
    • gemeinsame Mini-Projekte bearbeiten
    • die Auseinandersetzung mit dem Stoff anregen
    • Kompetenz-Demonstration: hic rhodos, hic salta

Vorteile

  • für die Studierenden
    • nachhaltigeres, kompetenzorientiertes Lernen
    • gemeinsames Lernen
    • Feedback
      • durch die Übungen selbst: läuft das Programm?
      • durch den Dozenten
  • für mich
    • ich trage manchmal gerne vor, spiele gerne den Chef - aber die Studierenden lernen sowieso nicht viel dabei, und schon gar nicht das, was mir wichtig ist, nämlich Kompetenz statt Wissen.