Plagiat-Falle kompilatorische Hausarbeit

An nicht wenigen Fachbereichen im akademischen Ausbildungsbetrieb ist es üblich, die korrekte Widergabe fremder Inhalte als einen bedeutenden Teil einer Hausarbeit oder wissenschaftlichen Arbeit zu betrachten.

Zweifellos hat auch die verkürzende, die wesentlichen Inhalte eines Textes wiedergebende Zusammenfassung ausgewählter Texte (das sog. informative Abstracting) einen elementaren Platz in wiss. Arbeiten.

  • Dabei sollte die Widergabe fremder Gedanken keinen Wert an sich haben, sondern lediglich eine Funktion erfüllen: nämlich die Argumentation, Diskussion, Untersuchung etc. des Autors in einer wiss. Arbeit durch nachprüfbare Aussagen zu untermauern, zu motivieren, zu rechtfertigen un Vieles mehr, kurz: die Diskussion einer konkreten Fragestellung unterstützen.

Eine elementare Anforderung an die intellektuelle Redlichkeit in wissenschaftlichen Arbeiten besteht darin, bei der Widergabe fremder Inhalte tunlichst zu vermeiden, diese als eine eigene Leistung auszugeben.

Insbesondere mit frei flottierenden Sachdarstellungen, die nicht einer eigenen konkreten Fragestellung dienen, läuft man leicht Gefahr, in die Plagiatsfalle zu tappen.

Kein gutes Beispiel

Stellen wir und vor, in einer Hausarbeit z.B. zu Gruppenarbeit findet sich folgender Satz

  • """Ein sehr großer Nachteil ist jedoch die Gefahr des Ausschlusses von „Außenseitern“ und mangelnder Kooperation heterogener Personen(-gruppen). Viele Cliquen haben nicht die benötigte Arbeitshaltung und nutzen die Arbeitszeit um Privaten Tätigkeiten nachzugehen und sind daher ineffizient."""

Wenn ein Autor diesen Absatz ohne einen Literaturverweis formuliert entsteht beim Leser der subjektiven Eindruck, hier einen selbst gedachten und selbst formulierten Gedanken vor sich zu haben: "Schön!"

Stellen wir uns weiter vor, dass der Leser später im Internet auf folgende Formulierung stößt:

  • """Nachteile bestehen in der Gefahr des Ausschlusses von „Außenseitern“ und mangelnder Kooperation heterogener Personen(-gruppen). Außerdem könnten bestimmte Gruppen die Zeit nicht für den Unterricht sondern für private- und außerschulische Angelegenheiten missbrauchen.""" (Quelle: www.wagner-verlag-autoren-texte.de/members/Daniel_Jaeger_Hunter/posts/ )

Wenn die Formulierung aus dem Internet zwar im Literaturverzeichnis der Hausarbeit ordentlich genannt ist, im engen Kontext der eigenen Formulierung jedoch kein detaillierter Verweis auf die Quelle des fremden Gedankens erfolgt: Dann fühlt sich der Leser getäuscht.

Der an sich gute und richtige Gedanke stammt gar nicht von dem Autor selbst, und auch die spezifische Formulierung wurde großzügig übernommen - und nicht korrekt.

Hier liegt eine verschleiernde Übernahme, mithin also ein Plagiat vor. Der Autor gibt in mehr oder weniger eigenen Worten einen Gedanken als eigene Leistung aus, der aus einer (a) fremden Quelle stammt, die der Autor (b) nachweislich kannte und (c) nicht angab.

So wäre es (technisch) besser gewesen

Wie hätte der Autor mit der Formulierung im Internet besser arbeiten können? Er hätte etwa mit einem indirekten Zitat arbeiten können:

  • """Ich stimme Hunter (vgl. xxx, S.xx) zu, wenn er geltend macht, dass Außenseiter ausgeschlossen werden oder heterogene Personengruppen nur mangelhaft kooperieren könnten, oder auch, dass Unterrichtszeit durch private Tätigkeiten nur ineffizient genutzt werden könnte."""

Ein solcher Verweis auf die Meinung einer bestimmten Quelle ist dann angebracht, wenn es für die Argumentation einer Arbeit auch wichtig ist mitzuteilen, wer etwas behauptet.

Wenn es dagegen lediglich um die Sache an sich geht, könnte man auch wie folgt formulieren:

  • """Eine Auswertung der von mir betrachteten Literatur (hier vor allem Hunter 20xx) zeigt die folgenden möglichen Nachteile von Gruppenarbeit: (a) Ausschluss von Außenseitern, (b) mangelnde Kooperation insbesondere in heterogenen Gruppen, (c) Missbrauch von Unterrichtszeit für private Zwecke (Hunter 20xx, S. xx)."""

In all diesen Formulierungen wird zwar Gedankengut in die eigene Arbeit übernommen - stets aber so, dass der Leser klar erkennen kann, worin der Beitrag der Quellen und worin die eigene Leistung des Autors besteht.

Weitere Beispiele: http://www.uni-bielefeld.de/(de)/philosophie/personen/beckermann/Zitieren.pdf

Nur so wird es auch inhaltlich besser

Wiklich gut wird eine Hausarbeite allerdings nicht, solange man sein Heil ausschließlich im Zitathandwerk sucht.

Worin könnte eine eigene Leistung bestehen?

  • Keine eigene Leistung besteht darin, einem fremden Gedanken lediglich zuzustimmen, und ihn mehr oder weniger umformuliert widerzugeben.
  • Eine kleine eigene Leistung besteht darin, eine Behauptung, die man sich selbst ausgedacht hat, auch in der Literatur als spannende These oder überraschende Tatsache wiederzuentdecken und - etwa durch einen Literaturverweis - als diskussionswürdig hervorzuheben.
  • Spannend und (nicht nur formal, sondern) auch argumentativ erforderlich werden Zitate allerdings erst dann, wenn man in der Literatur unterschiedliche, nicht unmittelbar zusammenpassende Positionen (b) in Bezug auf eine konkrete Fragestellung kontrastierend diskutieren und dazu (a) eben zunächst einmal wertfrei darstellen will.

Insbesondere der Auftrag "Fasse auf XX Seiten das Wichtigste aus 3 Büchen und 10 Artikeln zusammen" eignet sich nicht als Fragestellung für eine wissenschaftliche Hausarbeit. Ein solcher Auftrag wäre als Fragestellung (a) nicht genügend konkret, vor allem aber (b) letzlich inhaltsleer: Worin sollte eine eigene Leistung bestehen, wenn man vom Beipflichten, vom inhaltlich korrekten Widergeben und vom formal korrekten Zitieren fremder Inhalte absieht?

Ohne eine konkrete Fragestellung führen vor allem umfangreiche Sachdarstellungen leicht zu sogenannten kompilatorischen Texten.

Um Aussagen aus der Literatur nicht nur darzustellen, sondern auch wissenschaftlich diskutieren zu können, braucht man eine eigene Fragestellung.

Eine solche zu entwicklen: Das ist eine komplexe Aufgabe, die einen engen Kontakt mit einem forschungserfahrenen Betreuuer sowie einen gemeinsamen Diskurskontext erfordert.