Vortrag DACHS-Symposium Biel 2016

Vortrag DACHS-Symposium 2016, FH Biel (CH)

Hypothese, im folgenden als wahr angenommen, also gläubiges Credo: Wir Informatiker sind derzeit mittendrinn in einem Paradigmenwechsel, ähnlich 60ger Jahre Software-Krise, heute Daten-Krise

  • damals ist eine neue Wissenschaft entstanden, das Software-Enginering: Im Vergleich zum Hardware-Fächerkanon eine völlig andere Disziplin. Data Science: möglicherweise *sehr* anders als das, was wir Informatik kennen?
  • damals Übergang Hardware -> Software, heute Software -> Daten: Wie können wir aus dem Übergang etwas lernen?

Aktueller Anlass für diesen Talk: Vl "Grundlagen der Wirtschaftsinformatik (GdW)", Bachelor 1. Semester, ganz neu: ein Block (ca 4 Wochen) "Data Science"

  • Will ich sowieso neu aufbauen ... Überbegriff zu Big Data (5V: volume variety velocity variability veracity), viele datengenerierende Endgeräte, massive Vernetzung ... Big Data ist Symptom für tieferliegende Herausforderungen, eben Paradigmenwechsel

ideales Curriculum für einen neuen Studiengang "Data Science"?

  • Wie würde eine ideales, nicht partikular gedachtes Curriculum für Data Science aussehen?
  • Wie könnten wir vorgehen, um solch ein Curriculum zu finden?

Ziel für die nächsten 20 Minuten:

  • Punkte herausfinden, an denen hier im Auditorium Konsens oder Dissens besteht
  • Fragen identifizieren, für deren Lösung man Zeit brauchen würde

Grundlegende Probleme

  • keine Normalwissenschaft, sondern Wissenschaftstheorie
    • Wenn wir es tatsächlich mit einem Paradigmenwechsel zu tun haben, dann kommen wir mit Normalwissenschaft nicht weiter. Anliegen in dieser Runde: Das Denken weit öffnen, große Flughöhe: Wissenschaftlicher Weitblick abseits von den Niederungen des Alltags.
  • fachliches Sprachproblem
    • Wie können wir ich jemandem, der den Paradigmenwechsel noch nicht vollzogen hat, einen Geschmack davon geben, wie Data Model Engineering aussehen könnte? ... strukturähnliche Probleme: Jemandem einen Geschmack von OO oder funktionaler oder Logik-Programmierung geben, der nur imperativ programmieren kann
  • wer sind "wir", d.h. aus welcher Identität heraus sprechen wir, was konstituiert dieses "Wir"?
    • Methode: https://en.wikipedia.org/wiki/Veil_of_ignorance (John Rawls): Wir argumentieren als weitblickende, gesellschaftlich engagierte Altruisten, die nicht wissen, welcher Gruppe (Disziplin, Dienststelle, Wirtschaft/Gesellschaft/Recht/Wissenschaft etc,. Produzent/Verbraucher) sie zugehören.
  • Sprache und Weltsicht
    • In welchen Begriffen, in welchen Theorie beschreiben wir die digitalisierte Lebenswelt, für die wir mit Data Science sozio-technische Modelle entwerfen?
    • Als Informatiker verfüge ich zwar über Theorien, die für die Gegenstände Computer, Rechnen, Software etc. entworfen wurden.
    • Aber profundes Technikwissen ist in keiner Weise eine hinreichendes Vorbedingung für eine gesellschaftliche, normative, psychologische etc. Analyse unserer Lebenswelt. (Wer das nicht erkennt läuft schnell Gefahr, die Vorasussetzungen der eigenen Normalwissenschaft reduktionistisch auf alle Bereiche der Lebenswelt zu verallgemeinern, was z.B. in einem materialistischen Wissenschaftsimperialismus enden kann).
    • Lösung für das Theorie: Diskussion von möglichst interdisziplinären, im Idealfall diskursiv entstandenen techniksoziologischen Texte, wie z.B. den im "DFG-Kollegforschergruppe Medienkulturen der Computersimulation" und dem "Digital Cultures Research Labs" (Leuphana Universität Lüneburg) entstandenen Sammeland
      • Florian Sprenger, Christoph Engemann (Hg.): Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt. 2015 transcript Verlag, Bielefeld.

Es stellen sich Fragen auf 3 Ebenen:

  • (1) Was gehört in diesem Block inhaltlich hinein (und was ist machbar)? Beispiele:
    • Statistik, Data Mining
    • IT Sicherheit, IT Recht
    • Knowledge Engineering, Information Retrieval
    • Big Data, Web Sciences, Datenbanken
    • Natural Language Processing ?
    • Pädagogik, Philosophie ??
    • Kunst und Musik ???
    • existierende Lösungsvorschläge
      • https://en.wikibooks.org/wiki/Data_Science:_An_Introduction/A_Mash-up_of_Disciplines
  • (2) Bezüglich welcher Maßstäbe bewerten wir Vorschläge bzgl. 1? Beispiele:
    • Was bietet die FH nebenan, was bieten die Big Player (MIT, ..., School of Blablabla) an?
      • Was wollen wir übernehmen - und was können wir und die Studierenden leisten?
      • Wo entwickeln wir Alleinstellungsmerkmale
    • Wie sieht der Arbeitsmarkt aus? Welche Kompetenzen werden gesellschaftlich benötigt?
    • Was könnten wertvolle Bildungsziele sein ?
    • Was gebietet uns unser Glauben bzgl. Wissenschaft? Aufklärung ?? Weltanschauung ??? Religion ????
  • (3) Aus welchen Wissenschaften nehmen wir Vertreter zum Bewertungsvorgang aus (2) hinzu? Beispiele:
    • Informatik
    • Mathematik
    • Computerlinguistik
    • Bindestrich- (z.B. Medizin-, Automotive-, Wirtschafts-) Informatiken
    • Jura?
    • Journalisten?
    • Künstler??

Also die Fragen:

  • Wie würde eine ideales, nicht partikular gedachtes Curriculum für Data Science aussehen?
  • Wie könnten wir vorgehen, um solch ein Curriculum zu finden?
  • Was habe ich nicht bedacht?