Begrüßung Erstsemester GdW WS 2018

(Landshut, 2018-10-10)

Sehr geehrte Studienanfänger in unserem Studiengang Wirtschaftsinformatik,

Sie haben sich zum Studium der Wirtschaftsinformatik (WIF), also einem (Bindestrich-) Informatikstudiengang an unserer "Hochschule für angewandte Wissenschaften" entschlossen. Das ist eine anspruchvolle Ausbildung, zu der man mehr mitbringen muss Intelligenz: Wichtig sind vor allem auch Neugierte und kritisches Denken, sowie auch klassische Tugenden wie Selbstverantwortung und Disziplin - und zwar letzteres insbesondere für das eigene Lernen.

WIF ist ein offener Studiengang ohne NC mit nur niedrigschwelligen Zulassungsvoraussetzungen. Im WS 2018 hebane wir eine Auslastung von ca. 150% im ersten Semester, bei nicht skalierender Raum- und Personalausstattung. Das ist noch längst kein Massenbetrieb (anderswo sind es 1000 - eintausend - Erstsemester), aber es ist doch ganz anders als in der Schule. Ganz wichtig für Sie ist es, sich selbst eine studienförderliche Peergroup zu suchen; ohne diese verliert man sich sehr schnell in der Anonymität und geht Informations-Dschungel unter.

Im Gegensatz zur Schule gibt es an einer Hochschule vor allem Vorlesungen und Übungen. Beide erfordern spezifische Lernkompetenzen, um daraus Nutzen ziehen zu können.

Vorlesungen

Ein Teil des Wissens wird in sog. Vorlesungen angesprochen. Vorlesungen sind (hochschul-) öffentliche Veranstaltungen, bei denen keiner kontrolliert, ob Sie zuhören oder schlafen oder überhaupt anwesend sind: Die Teilnahme ist empfohlen, aber nicht verpflichtend.

Unsere Dozenten sind Wissenschaftler und Forscher, die Ihnen in Vorlesungen ausbreiten, was in einem Wissensgebiet wichtig ist. Der Dozent *exponiert* Wissen, stellt es dar, kontextualisiert es. Aber das Lernen kann er Ihnen nicht abnehmen, Lernen müssen Sie selbst.

Normalerweise sind unsere Dozenten pädagogisch sehr interessiert und nehmen regelmäßig an Fortbildungen z.B. am DIZ Bayern teil. Bitte bedenken Sie dennoch: Unsere Dozenten in WIF haben nicht Pädagogik studiert, sondern wissenschaftlich promoviert und dann in der Wirtschaft in maßgeblicher Position Dinge praktisch vorangetrieben: An einer Hochschule haben Sie es mit Inhaltsexperten zu tun; Lehre auch mit Forschungs und Entwicklung zusammenzubringen ist ihre primäre Aufgabe.

Typischerweise tragen Dozenten Stoff schneller und oberflächlicher vor, als Studierende für ihre Lernen Zeit benötigen. Also *müssen* Sie für die Nach- und ggf. Vorbereitung von Vorlesungen ganz erheblich Zeit aufwenden, wenn Sie nicht schon nach wenigen Wochen abgehängt sein wollen.

Übungen

Eine Übung ist (nach dem eigenständigen, selbstverantwortetem Lernen) so ziemlich die wertvollste betreute Lernform, die Sie an einer Hochschule vorfinden. In Übungen üben Sie, das bereits eigenveantwortlich vor- und nachbereitete Wissen anzuwenden - und zwar nicht alleine zuhause, sondern gemeinsam mit anderen Studierenden, begleitet durch einen Übungsgruppenleiter und/oder Tutor.

Übungsgruppenleiter oder Tutoren freuen sich sehr, Ihnen bei individuell Fragen beiseite zu stehen. Bringen Sie dazu in die Übung Ihre Unterlagen mit. Auf die FAQ "das und das habe ich nicht kapiert" werden die Übungsgruppenleiter dann gemeinsam mit Ihnen Ihre Aufschriebe durchgehen und analysieren, warum Sie das und das nicht verstanden haben.

Natürlich könnten die Übungsgruppenleiter Ihnen den Stoff wie in einer Nachhilfe auch mal kurz erklären. Aber genau darum geht es ja nicht. An einer Hochschule erwartet Sie keine schulische Nachhilfe, sonden Hilfe zur Selbsthilfe. Denn im Unterschied zu Vorlesungen sind Übungen überhaupt nicht dazu da, Wissen zu exponieren.

Übungsgruppenleiter oder Tutoren haben nicht den Auftrag, in Kleingruppen einen Schulunterricht nachzuholen, der in der Großgruppe nicht möglich oder nicht gewünscht ist.

Und natürlich macht es keinen Sinn, sich in einer Übung Vorlesungsinhalt nachreferieren zu lassen, den man verpasst hat, weil man keine Zeit hatte, in die Vorlesung zu gehen: Treten solche Ansinnen öfters auf, wird auch der geduldigste Übungsgruppenleiter irgendwann unwirsch.

Zeitmanagement

Wenn Sie alle im Studienplan vorgesehenen Veranstaltungen wie vorgesehen besuchen, haben Sie eine vollgepackte 40h-Woche vor sich.

Wir Dozenten gehen davon aus, dass Sie sich diese Zeit nehmen können und dies auch tun. (Dafür dürfen Sie von uns Dozenten auch Stoff auf der Höhe von Forschung und Technik erwarten, für den es eben noch keine Schulbücher und noch keine massen-kompatiblen Youtube-Videos gibt.) Umgekeht heißt das für uns Dozierende: Studierende, die lediglich in Veranstaltungen gehen, aber ihr Studium nicht in Vollzeit (!) vor- und nachbereiten, werden die zugehörigen Prüfung nicht bestehen.

Falls Sie sich Ihr Studium selbst finanzieren und deshalb jobben; oder falls Sie zuhause die Oma, Geschwister oder Kinder pflegen; oder falls Sie einen besonders üppigen oder schlafraubenden Livestyle schätzen: Dann sollten Sie sich um so mehr und rechtzeitig eine sehr kontrollierte und sehr disziplinierte Studienumgebung einrichten.

Studium statt Schule

In der Schule hatten pädagogisch gut ausgebildete Lehrexperten die Aufgabe, Sie zu erziehen und Ihnen Wissen im Format "Präsenzunterricht" einzutrichtern. In einer Hochschule gehen diese Lehrerfunktionen weitgehend an Sie über: Sie selbst sind es, der für sein eigenes Lernen verantwortlich ist.

Unsere Dozenten verstehen sich vor allen als Fachexperten. Natürlich haben sie eine intrinsische Neigung, gute Lehre machen zu wollen - aber auch "gute Lehre" wird bei uns eher verstanden im Sinn von "gute Lernmöglichkeiten schaffen" als im Sinne von "ein guter Motivator oder Einpeitscher sein". Eine HAW betreibt (anwendungsorientierte) Wissenschaft, sie versteht sich nicht als eine verlängerte Berufsausbildung.

Studieren bedeutet für Sie als Studierende also in erster Linie, sich (a) eigenverantwortlich und (b) ganz und gar Ihrem Fach zu widmen. Intelligent genug sind Sie. Wenn Sie es mangels Zeit oder mangels Selbstdisziplin nicht schaffen, eine Veranstaltung gut vor- oder nachzubereiten, dann dürfen Sie nicht erwarten, die zugehörige Prüfung zu bestehen. Da der Stoff im ersten Studienjahr nicht wirklich schwierig ist, kann ihn jeder verstehen. Vordergründig prüfen unsere Prüfungen im ersten Studienjahr natürlich Ihr fachliches Verständnis, in dessen Windschatten aber vor allem auch Ihre Eigenverantwortung.

Selbstdisziplin hört sich fürchterlich preussisch an. Bitte glauben Sie mir: Auch ich würde Ihnen viel lieber Lernen in kleinen Gruppen interessierter Kommilitonen mit einem guten Betreuungsverhältnis anbieten können (wie es übrigens im Master durchaus üblich ist). Aber die Politik hat nun einmal ein Hochschul-System aufgebaut und darin unseren Studiengang WIF so gesaltet, wie er ist: Jeder darf antreten, und die Gruppe ist groß.

Der Wettbewerb besteht nur zum Teil aus fachlichem Verständnis; ein mindestens ebenso hoher Anteil des Wettbewerbs wird durch Eigenmotivation und eben auch Selbstdisziplin entschieden.

  • In anderen Worten: Ihre wichtigste Aufgabe im ersten Studienjahr besteht darin, sich selbst zu entschulen, indem Sie selbst Generalunternemer für Ihr eigenes Lernen werden.

(Mein persönliches Lehrziel besteht darin, Sie durch angeleitetes selbstgesteuertes Lernen darin zu unterstützen, am Ende Ihres Bachelor-Studiums ein autodidaktischer Lerner zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte.)

GdW als Orientierungsveranstaltung

Liegt Ihnen das WIF-Studium? Um das frühzeitig feststellen zu können, brauchen Sie schon im ersten Semester eine Veranstaltung, an der Sie sich erproben können. Die Einführungsveranstaltung "Grundlagen der Wirtschaftsinformatik" (GdW) will das leisten: (a) Sie führt inhaltlich in einige Key-Topics der WIF ein; (2) sie tut dies methodisch und technisch auf eine Weise, die auch in Bezug auf Lernen und Studieren einige wesentliche Herausforderungen des Studiums enthält.

Was ist damit gemeint? Zwei Beispiele:

  • In einem WIF -Studium muss man zu einem großen Teil englische Texte lesen (aber nicht unbedingt auf englisch schreiben). Also werden wir auch in GdW englische Texte lesen, die es nicht auf deutsch gibt. Eine FAQ dazu lautet dann gelegentlich: "Können Sie uns bitte nicht einfach eine deutsche Zusammenfassung geben?". Natürlich könnte ich das - aber dann lernen Sie ja nicht, diesen englischen Text zu lesen. Eine DE-Zusammenfassung würde das Lernziel "Text lesen" spoilern.
  • Sie werden es auch mit großen Mengen an vernetztem Wissen zu tun haben. Mit traditionellen Formen des Sichaufschreibens von Wissen wie insbes. sequentielelr Fließtext kommen Sie nicht mehr weit. Angemessenere und aktuellere Formen der Wissensrepräsentation sind z.B. semantische Netze oder semantische Mindmaps. Wir werden in den ersten 2 Wochen der Vl den Umgang damit lernen und dann konsequent zur Wissensrepräsentation einsetzen. Also gehört auch die praktische Handhabung von Mindmap-Software wie z.B. www.freeplane.org zum Lernziel der Veranstaltung GdW.

Neben den fachlichen Inhalten besteht ein wichtiges Ziel von GdW darin, Ihnen schon im ersten Semester Challences an die Hand zu geben, anhand derer Sie sich selbst beobachten können, wie sie lernend damit umgehen.